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Referenten­entwurf zur Änderung des Arbeitszeit­gesetzes Pflicht zur Arbeitszeit­erfassung

Das BMAS hat am 18.04.2023 einen Referentenentwurf zur Regelung der Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung im Arbeitszeitgesetz und anderen Gesetzen in die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung gegeben, der auch der Presse bekanntgeworden ist. Eine Verbändeanhörung ist allerdings noch nicht eingeleitet.

1. Hintergrund und wesentlicher Inhalt des Referentenentwurfs

Bekanntlich hatte das BAG in seinem Urteil vom 13.09.2022 (https://caritas-dienstgeber.de/infothek/analysiert-und-bewertet/aktuelles-aus-der-rechtsprechung/detail/bag-arbeitszeiterfassung-ist-verpflichtend) eine Verpflichtung der Arbeitgeber zur Arbeitszeiterfassung erkannt. Danach bestanden Ankündigungen aus dem BMAS zur gesetzlichen Regelung der Arbeitszeiterfassung im Rahmen einer Novellierung des Arbeitszeitgesetzes im Laufe des ersten Quartals 2023. Mit dem vorliegenden Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes und anderer Vorschriften“ soll die Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung im Arbeitszeitgesetz, im Jugendarbeitsschutzgesetz und in der Offshore-Arbeitszeitverordnung geregelt werden. Hier wird zur ersten Information vornehmlich auf die Änderung des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) eingegangen.

1.1. Pflicht zur elektronischen Arbeitszeiterfassung

Kernpunkt des Entwurfs ist die Änderung des § 16 ArbZG. In der Neufassung des § 16 Abs. 2 ArbZG-E wird die bisherige Verpflichtung des Arbeitgebers, die über acht Stunden werktägliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit aufzuzeichnen, auf die Aufzeichnung des Beginns, Endes und der Dauer der vollständigen täglichen Arbeitszeit ausgedehnt. Die Aufzeichnung muss elektronisch und jeweils am Tag der Arbeitsleistung erfolgen (§ 16 Abs. 2 Satz 1 ArbZG-E).

1.2. Pflicht zur Führung eines Verzeichnisses von Verlängerungseinwilligungen

Nach § 7 Abs. 2a bis Abs. 5 ArbZG kann insbesondere auf der Basis kirchlicher Arbeitsrechtsregelungen (§ 7 Abs. 4 ArbZG) bei Vorliegen von Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst die tägliche Arbeitszeit über 8 Stunden hinaus verlängert werden. Dies bedarf nach § 7 Abs. 7 ArbZG der schriftlichen Einwilligung des Arbeitnehmers. Nach dem neuen § 16 Abs. 1 Satz 2 ArbZG-E hat der Arbeitgeber nunmehr ein Verzeichnis über die Arbeitnehmer zu führen, die diese Einwilligung erteilt haben.

Beide Aufzeichnungen müssen mindestens zwei Jahre aufbewahrt werden (§ 16 Abs. 1 Satz 3 ArbZG-E)

1.3. Delegation der Aufzeichnungspflicht

Der Arbeitgeber kann die Aufzeichnung der Arbeitszeit auf Dritte übertragen, bleibt aber für die Ordnungsmäßigkeit der Aufzeichnung verantwortlich (§ 16 Abs. 3 ArbZG-E). Dies meint insbesondere die Übertragung der Aufzeichnungspflicht auf Vorgesetzte, bei einem Einsatz außer Haus aber auch auf einen externen Dritten.

Die Aufzeichnung kann aber auch durch den Arbeitnehmer erfolgen. Der Arbeitgeber kann dabei auf die Kontrolle der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit verzichten. Er muss dabei aber durch geeignete Maßnahme sicherstellen, dass ihm Verstöße gegen die gesetzlichen Arbeits- und Ruhezeiten bekannt werden.

Der Arbeitnehmer kann eine Information über die aufgezeichneten Arbeitszeiten einschließlich einer Kopie der Aufzeichnungen verlangen.

1.4. Anwendungsbestimmung

Arbeitgeber mit bis zu 10 Arbeitnehmern müssen die Aufzeichnung der Arbeitszeit nicht elektronisch durchführen (§ 16 Abs. 8 Satz 3ArbZG-E). Diese Möglichkeit der nichtelektronischen Aufzeichnung gilt auch für Hausangestellte im Privathaushalt (§ 16 Abs. 8 Satz 4 ArbZG-E), womit aber zugleich klargestellt ist, dass deren Arbeitszeiten aufzuzeichnen sind.

Es besteht zudem eine Übergangsregelung mit der Möglichkeit der nichtelektronischen Erfassung (§ 16 Abs. 8 Satz 1f ArbZG-E). Sie beträgt für alle Arbeitgeber ein Jahr nach Inkrafttreten. Für Arbeitgeber mit weniger als 250 Arbeitnehmer sind dies zwei Jahre, mit weniger als 50 Arbeitnehmer fünf Jahre.

1.5. Öffnungsklausel

Der RefE sieht in § 16 Abs. 7 eine Öffnungsklausel für Tarifverträge bzw. auf der Grundlage von Tarifverträgen bestehende Betriebs- oder Dienstvereinbarungen vor. Diese können die nichtelektronische Form der Arbeitszeiterfassung vorsehen. Zudem kann eine verzögerte Erfassung bis zu sieben Tage nach dem Tag der Arbeitsleistung vorgesehen werden. Und insbesondere kann die Aufzeichnungspflicht für Arbeitnehmer mit selbstbestimmter Festlegung der Arbeitszeit ausgenommen werden. Eine besondere Regelung für abweichende Regelungen bei Kirchen ist nicht vorgesehen.

2. Erste Bewertung des Entwurfs

Die Verletzung der Aufzeichnungspflichten wird einen Ordnungswidrigkeitstatbestand darstellen. Die Ausnahmetatbestände des § 18 ArbZG bleiben unverändert, so dass die durch die Anknüpfung der Aufzeichnungspflicht an das Arbeitsschutzgesetz entstandene Unsicherheit über den Anwendungsbereich nicht mehr besteht. Die Aufzeichnungspflicht besteht für den Personenkreis, für den schon bisher die über 8 Stunden hinausgehenden Zeiten aufzuzeichnen waren.

Insbesondere wird die Vereinbarung einer Vertrauensarbeitszeit wieder klargestellt. Nach dem Konzept muss zwar eine Aufzeichnung der Arbeitszeiten erfolgen, nämlich durch den betreffenden Mitarbeiter. Der Arbeitgeber muss auch nicht dauernd kontrollieren. Wie er sicherstellt, über gesetzeswidrige Arbeits- und Ruhezeiten informiert zu werden, muss er letztlich selbst entscheiden. Allerdings wird dies bei einer nichtelektronischen Form der Aufzeichnung schwierig darstellbar sein.

Eine massive Einschränkung ist die weitegehende Verpflichtung auf eine tägliche Aufzeichnung in elektronischer Form. Es wird zweifelhaft sein, ob die kleineren Einrichtungen auch über 10 Mitarbeiter hinaus ein elektronisches Aufzeichnungssystem werden installieren können. Die Begründung weist zwar auch darauf hin, dass neben Zeiterfassungssystemen und die wohl obligatorisch zu erwähnenden „Apps auf einem Mobiltelefon“ auch „die Nutzung herkömmlicher Tabellenkalkulationsprogramme in Betracht“ kommen. Dennoch wird absehbar sein, dass diese später zu Kontrollzwecken nicht mehr werden ausreichen können.

2.1. Öffnungsklausel zu eng gefasst

Die Öffnung allein für tarifgebundene Arbeitgeber, die durch die Anknüpfung allein an Tarifverträge gegeben ist, greift viel zu kurz. Anders als die Tatbestände des zudem in § 16 Abs. 2 Satz 2 ArbZG-E ausdrücklich angesprochenen § 7 Abs. 7 ArbZG bezüglich der Ausdehnung der täglichen Arbeitszeit greift diese Öffnung keine anderen Abweichungen auf.

Insbesondere fehlt die im Arbeitszeitgesetz durchgängige Öffnung auch für kirchliche Arbeitsrechtsregelungen oder zumindest deren Gleichstellung wie in § 7 Abs. 4 ArbZG.

Insgesamt wäre eigentlich eine Novellierung des ArbZG zu erwarten gewesen, wie sie von der Koalition insbesondere mit Blick auf eine Flexibilisierung der Höchstarbeitszeiten im Koalitionsvertrag avisiert ist. In diesem Zusammenhang wird nach der singulären Regulierung der Arbeitszeiterfassung dann wahrscheinlich zu einem späteren Zeitpunkt erneut eine Änderung des ArbZG kommen, die erneuten Umstellungs- und Anpassungsaufwand mit sich bringen wird.

Gesetzgebung

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