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Öffentliche Anhörung zu Anträgen von CDU/CSU und Die Linke zum Thema Arbeitszeiterfassung

Mit den Anträge wird die Umsetzung einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Auslegung der europäischen Arbeitszeitrichtlinie in nationales Recht gefordert.

Hintergrund

Mit den Anträgen von CDU/CSU („Arbeitszeiterfassung bürokratiearm ausgestalten – Mehr flexibles Arbeiten ermöglichen“, Drucksache 20/6909) und Die Linke („Beschäftigtenrechte stärken – Arbeitszeit europarechtskonform dokumentieren“, Drucksache 20/1852) ist die Umsetzung einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Auslegung der europäischen Arbeitszeitrichtlinie (EuGH, Rs. C-55/18, CCOO) in nationales Recht gefordert worden.

Die Linke-Bundestagsfraktion fordert in ihrem Antrag eine tägliche und minutengenaue Arbeitszeiterfassung und begründet dies mit dem Vorhandensein von "Millionen" unbezahlter Überstunden und einer zunehmenden Belastung der Arbeitnehmer in Deutschland. Die Bedürfnisse der Beschäftigten sollten im Zentrum solcher Gesetzesvorhaben stehen, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wiederherzustellen.

Die CDU/CSU-Fraktion fordert in ihrem Antrag eine Lösung, die "unverzüglich" die Möglichkeiten zur Flexibilisierung der Arbeitszeiterfassung vollständig ausschöpft, Arbeitgebern Freiheiten bei der Wahl des Erfassungssystems gewährt und freiwillige Vertrauensarbeitszeitmodelle weiterhin ermöglicht. Eine Pflicht zur taggenauen Erfassung soll es ebenfalls nicht geben.

Sachverständigenliste

Organisation

Name

Zuordnung / Auf
Einladung

Dt. Gewerkschaftsbund

 

SPD

Bundesanstalt für Arbeitsschutz
und Arbeitsmedizin

 

SPD

BDA

 

CDU

Zentralverband des Deutschen
Handwerks

 

CDU

Gesamtmetall

 

FDP

Bundesinnungsverband des
Gebäudereiniger-Handwerks

 

FDP

 

Prof. Dr. Frank Bayreuther

SPD

 

Prof. Dr. Gregor Thüsing

CDU

 

Prof. Dr. Christiane Brors

Bündnis 90/Die Grünen

 

Prof. Dr. Thomas Klein

Linke

Zusammenfassung der öffentlichen Anhörung vom 9. Oktober 2023 und Stellungnahmen

Es wurde darüber diskutiert, inwieweit die Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung ausgelegt werden kann. Dabei gab es Uneinigkeit unter den konsultierten Sachverständigen, ob lediglich eine Pflicht des Arbeitgebers zur Bereitstellung eines Zeiterfassungsinstruments oder zur tatsächlichen Erfassung der Arbeitszeit besteht. Prof. Dr. Christiane Brors, Dr. Nils Backhaus und der Deutsche Gewerkschaftsbund vertreten die Auffassung, dass die erstgenannte Auslegung (Angebot) nicht mit dem europäischen Recht vereinbar sei. Prof. Dr. Gregor Thüsing und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) hingegen verweisen lediglich auf die Pflicht zur Bereitstellung.

Ein weiterer Diskussionspunkt betraf die Frage, wie Flexibilität in der Arbeitszeitgestaltung gewährleistet werden kann – unabhängig von der konkreten Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung. Dr. Nils Backhaus (Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin) und Prof. Dr. Christiane Brors betonen, dass die Flexibilisierung der Arbeitszeit hauptsächlich im Kontext des Gesundheitsschutzes betrachtet werden sollte. Aufgrund vorgeschriebener Ruhezeiten und Höchstarbeitszeiten sind die Möglichkeiten zur weiteren Flexibilisierung bereits begrenzt. Angesichts des steigenden Arbeitskräftemangels nimmt die Arbeitszeit ohnehin schon zu, was zu physischen und psychischen Belastungen führen kann. Laut Prof. Dr. Brors ist daher eine manipulationssichere und tägliche Erfassungslösung notwendig, um die Arbeitnehmer zu schützen.

Die Sachverständigen waren sich uneins über die Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung. Während insbesondere die Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen und der Linken eine Digitalisierung der Arbeitszeiterfassung befürworten, plädieren andere Sachverständige für eine freie Gestaltung nach dem Ermessen des Arbeitgebers. Sie argumentieren, dass der Europäische Gerichtshof hauptsächlich ein "objektives und verlässliches" Erfassungssystem fordert. Gesamtmetall lehnt eine minutengenaue Arbeitszeiterfassung ab, unter anderem aufgrund von Bedenken verschiedener Berufsgruppen (Wissenschaftler, Richter, Lehrer), da sie den vielfältigen Arbeitsgestaltungen (mobiles Arbeiten usw.) nicht gerecht werden würde.

Die Frage der Tarifautonomie wurde nur kurz erörtert. Prof. Dr. Frank Bayreuther merkt kritisch an, ob "eventuelle tarifliche Gestaltungsmöglichkeiten, wie im Referentenentwurf vorgesehen, an die Tarifbindung des Arbeitgebers geknüpft sein sollten." Dabei handelt es sich nicht um eine Frage des Individualarbeitsrechts, sondern um die Option, von einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung abzuweichen. Gesamtmetall argumentiert, dass eine rechtssichere Grundlage für die Öffnungsklausel für Tarif- und Betriebspartner geschaffen werden müsse.

Fazit

Es handelte sich um eine Anhörung zu Entwürfen von Oppositionsparteien. Die Frage ist, wie die Koalitionsparteien jetzt an dem Thema weiterarbeiten. Der eng auf die Arbeitszeiterfassung zugeschnittene Referentenentwurf, der zudem keine Öffnungsklausel für kirchliche Arbeitsrechtsregelungen enthielt, greift weitere Themen anders als im Koalitionsvertrag vorgesehen nicht auf. Ein Zeitplan dazu wurde in der Anhörung nicht benannt. Die Aussagen der Bundesminister Hubertus Heil und Christian Lindner beim Arbeitgebertag der BDA am 17. Oktober 2023 in Berlin sprechen dafür, dass ein solcher aktuell nicht klar fixiert ist. Die Minister äußerten, dass das Thema Arbeitszeiterfassung derzeit keine Priorität habe und ausschließlich eine „minimalinvasive“ Lösung gefunden werden solle.

In Folge der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 13. September 2022 besteht in Deutschland aktuell die Pflicht, dass die gesamte Arbeitszeit von Arbeitnehmenden aufzuzeichnen ist (Az. BAG 1 ABR 22/21). Spannend wird in diesem Zusammenhang sein – darauf lässt auch die Anhörung vom 9. Oktober 2023 schließen –, wie der Gesetzgeber das Arbeitszeitgesetz an diese Rechtsprechung des BAG anpassen wird.

Grundsätzlich herrschte Uneinigkeit darüber, wie das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) konkret interpretiert werden sollte. Während die Sachverständigen von CDU/CSU und FDP auf mögliche zusätzliche Belastungen der Arbeitgeber und Nachteile für Arbeitnehmer hinwiesen, betonten und befürworteten die Sachverständigen von Bündnis 90/Die Grünen, der Linken und der SPD den Schutz der Gesundheit und die Einführung digitalisierter Erfassungsmethoden.

Gesetzgebung

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