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BVerwG: Niedrigerer Zuschuss für kirchlichen Träger zur Finanzierung einer Kindertages­einrichtung ist rechtens

Die Regelungen des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz) zur Kitafinanzierung in Nordrhein-Westfalen diskriminiert die kirchlichen Träger zumindest nicht ungerechtfertigt.

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten im Rahmen der staatlichen Kindergartenfinanzierung über die Höhe der Bezuschussung der Klägerin hinsichtlich der von dieser (neben weiteren) betriebenen Kindertageseinrichtung. Bei der Klägerin handelt es sich um eine evangelische Trägerin von mehreren Kindertagesstätten in Wuppertal. Grundlage für die staatliche Förderung von Kindertageseinrichtungen (Kita) in Nordrhein-Westfalen (NRW) ist das KiBiz. Verfahrensgegenständlich war das KiBiz in der Fassung vom 8. Juli 2016 (KiBiZ 2016). Der größte Anteil der danach den Einrichtungsträgern im Rahmen der staatlichen Finanzierung vom Jugendamt gewährten Mittel entfiel auf den Zuschuss nach § 20 Abs. 1 KiBiz 2016. Dieser Zuschuss ist an sogenannten Kindpauschalen ausgerichtet, die für jedes in einer Kindertageseinrichtung aufgenommene Kind gezahlt werden (§ 19 KiBiz 2016). Im Kindergartenjahr 2016/2017 betrug der Zuschuss für kirchliche Träger 88 Prozent. Andere anerkannte Träger der freien Jugendhilfe erhielten Zuschüsse in Höhe von bis zu 91 Prozent. Voraussetzung für die Gewährung des Zuschusses ist, dass die Träger ihren Eigenanteil an den Kindpauschalen leisten.

Die Klägerin wandte sich gegen die Höhe des Eigenanteils an den Kindpauschalen von 12 Prozent. Gegen den Zuwendungsbescheid legte sie erfolglos Widerspruch ein und erhob sodann Klage vor dem Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf. Die Klägerin ist der Auffassung, dass sie gegenüber Elterninitiativen und anderen anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe ungerechtfertigt benachteiligt werde (Art. 3 Grundgesetz (GG)). Sie hält insbesondere die Regelung über die Höhe des Zuschusses für kirchliche Träger für unwirksam und den staatlichen Zuschuss als solchen für nicht ausreichend für den wirtschaftlichen Betrieb der Kita. Sie klagte auf Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung des Förderungsantrags für das Kindergartenjahr 2016/2017. Die Klage blieb vor dem VG Düsseldorf und auch in der Berufung vor dem OVG Münster erfolglos.

Entscheidung

Das BVerwG hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Eine unmittelbare Diskriminierung im Sinne des speziellen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG scheidet nach Auffassung des BVerwG aus. § 20 KiBiz 2016 gewähre der Klägerin nicht aufgrund ihrer inhaltlichen Ausrichtung am Glauben oder an einer religiösen Anschauung einen niedrigeren Zuschuss. Maßgebend für die unterschiedliche Zuschusshöhe sei vielmehr die vom Landesgesetzgeber abgeleitete höhere ökonomische Leistungsfähigkeit kirchlicher Träger. Die höhere Leistungsfähigkeit ergebe sich daraus, dass sie als Körperschaften des öffentlichen Rechts Kirchensteuern erheben könnten.

Die Zuschussregelung führe aber zu einer mittelbaren Ungleichbehandlung aufgrund des Glaubens oder der religiösen Anschauung. Der mit § 20 KiBiz 2016 verbundene höhere finanzielle Eigenanteil der kirchlichen Träger betreffe mit der Evangelischen und der Katholischen Kirche typischerweise und vor allem diese zwei religiösen Bekenntnisse. Diese Ungleichbehandlung sei aber bei Anlegung eines strengen Verhältnismäßigkeitsmaßstabes gerechtfertigt.

Die durch § 20 Abs. 1 KiBiz 2016 bezweckte Heranziehung der Träger nach ihrer jeweiligen ökonomischen Leistungsfähigkeit sei ein legitimes Ziel. Die kirchlichen Träger würden zugleich mit dem Betreiben von Kindertageseinrichtungen nach ihrem Selbstverständnis auch eigene Aufgaben wahrnehmen. Die prozentuale Staffelung der Zuschüsse und der Eigenanteile sei also grundsätzlich geeignet, der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit Rechnung zu tragen. Der Landesgesetzgeber dürfe im Rahmen seines Einschätzungsspielraums insbesondere pauschalierend und typisierend annehmen, dass die kirchlichen Träger wegen der Möglichkeit zur Steuererhebung typischerweise finanziell leistungsfähiger als andere freie Träger seien. Eine Einzelfallprüfung der Leistungsfähigkeit der Träger stelle zwar ein milderes, aber kein gleich effektives Mittel dar.

Die Ungleichbehandlung durch den niedrigen Zuschuss erweise sich auch als angemessen. Da es sich bei dem Betrieb von Kitas für die Kirchen um die Wahrnehmung auch eigener Aufgaben handele, sei es ihnen zumutbar, wegen ihrer abstrakt höheren Leistungsfähigkeit einen höheren Eigenanteil zu erbringen. Dadurch würden weder das kirchliche Steuererhebungsrecht noch das kirchliche Selbstverwaltungsrecht berührt. Die Staffelung der Eigenanteile verfolge den Zweck, alle Träger gemessen an ihrer Leistungsfähigkeit gleichwertig an den Kosten zu beteiligen. Auch diene die Staffelung der Bereitstellung und Sicherstellung eines bedürfnis- und bedarfsgerechten Angebots an Kindertagesbetreuung und sei daher von hohem Gewicht.

Die Zuschussregelung verstoße auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und den vom Landesgesetzgeber zu beachtenden bundesrechtlich gewährleisteten Funktionsschutz der freien Jugendhilfe. Es fehle an belastbaren Anhaltspunkten dafür, dass durch die Regelung die Gefahr bestehe, dass freie Träger in absehbarer Zukunft und nennenswertem Umfang aus dem Anbietermarkt ausscheiden könnten und deren Einrichtungen von den öffentlichen Trägern der Jugendhilfe übernommen werden müssten.

Bewertung

Das Urteil des BVerwG ist auch auf die aktuelle Fassung des KiBiz bezüglich des Trägereigenanteils übertragbar. Auch die geltende Fassung des KiBiz sieht weiterhin eine nach Trägern gestaffelten Eigenanteil vor. Für kirchliche Träger beträgt der Eigenanteil nach § 36 Abs. 2 Nr. 1 KiBiz derzeit 10,3 Prozent.

Der Klägerin steht der Weg der Urteilsverfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG) offen. Es ist jedoch denkbar, dass das BVerfG die Auffassung des BVerwG und der Vorinstanzen teilen würde, da das KiBiz die Träger nicht nach ihren weltanschaulichen und religiösen Werten differenziert, sondern nach deren finanzieller Ausstattung.

Vor dem Hintergrund der großen Zahl der bundesweit fehlenden Kita-Plätze, die aus Dienstgebersicht insbesondere angesichts des Fachkräftemangels ein erhebliches Problem darstellt – Kinderbetreuung bindet Arbeitskraft (!) –, sollte die Landesregierung NRW die Kitafinanzierung gleichwohl überdenken. Andere Bundesländer, wie beispielsweise Brandenburg, staffeln die Zuschüsse zur Kitafinanzierung nicht nach der Art des Trägers. NRW benötigt dringend zusätzliche Kita-Plätze. Dieser Bedarf kann nicht dadurch gedeckt werden, dass verschiedene Träger wirtschaftlich gegeneinander ausgespielt werden. Auch ist es vor dem Hintergrund der hohen Kirchenaustrittszahlen und dem konstant sinkenden Kirchensteueraufkommen zu kurz gedacht, kirchlichen Trägern generell einen höheren finanziellen Rückhalt zu unterstellen. So erhalten viele kirchliche Kita-Träger gar keine Mittel aus dem Kirchensteueraufkommen. Der Bundesgesetzgeber hat sich für die Förderung der freien Kita-Träger ausgesprochen (§ 74 Sozialgesetzbuch VIII), weswegen Kitas vordergründig durch freie Träger betrieben werden sollen. Wenn das Angebot der freien Träger der Jugendhilfe nicht ausreicht, müssen kommunale Träger tätig werden. Die Förderung bzw. Vorrangigkeit freier Träger sollte aber nicht dazu führen, dass die öffentlichen Täger der Jugendhilfe ihre Kosten auf die freien Träger der Jugendhilfe auslagern.  

Nicht zuletzt wegen des Rechtsanspruchs auf einen Kita-Platz stellt der Betrieb von Kitas eine Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge dar, die eigentlich durch öffentliche Träger zu erfüllen ist (§ 24 Sozialgesetzbuch VIII). Wenn freie Träger diese Aufgabe übernehmen, ergibt sich aus der Eigenschaft als Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge eine öffentliche (Re-) Finanzierungspflicht. Derzeit wird in NRW aber von unterschiedlichen Trägern ein unterschiedlich hoher Eigenanteil erwartet - den niedrigsten tragen Elterninitiativen mit 3,4 Prozent. Dagegen müssen nicht-konfessionelle Träger 7,8 Prozent, kirchliche 10,2 Prozent und kommunale 12,5 Prozent der Kitafinanzierung aus eigenen Mitteln tragen (§ 36 Abs. 2 KiBiz). Bei kommunalen Trägern wird der Eigenanteil wie auch der Zuschuss des Jugendamtes aus öffentlichen Mitteln getragen. Der Eigenanteil stammt also lediglich aus anderen Haushaltsposten. Damit ist es für potentielle kommunale Träger ohnehin wenig attraktiv, selbst Kitas zu betreiben. Bei freien Trägern muss der Eigenanteil „mitgebracht“ werden, d.h. insbesondere durch Spenden oder Eigenmittel der Träger.

Dass der Landesgesetzgeber erwartet, dass freie Träger Mittel mitbringen, geht am Ende zu Lasten von Eltern und Kindern. Die durch den zu leistenden Eigenanteil erzeugte Finanzierungslücke bedroht nicht nur die Trägervielfalt, sondern auch den Fortbestand von Einrichtungen, was wiederum in Zeiten von Fach- und Arbeitskräftemangel zu Lasten von Arbeitgebern geht. Freien Trägern ist es untersagt, eigene Elternbeiträge zu erheben, sie haben also keinen Anspruch auf finanzielle Unterstützung der Eltern (§ 51 Abs. 1 KiBiz).

Währenddessen geht etwa Brandenburg sogar den Schritt zur vollen Beitragsfreiheit im Kindergarten (Kinder nach Vollendung des dritten Lebensjahrs, § 17a Brandenburgisches Kindertagesstättengesetz). Damit ist der Zugang zur Kita dort von den wirtschaftlichen Verhältnissen der Eltern unabhängig. Mit dieser Entscheidung geht Brandenburg gesellschafts- und bildungspolitisch einen zukunftsorientierten Weg. NRW könnte sich hieran orientieren und dabei auch den brandenburgischen Finanzierungsfehler durch zu niedrige Platzpauschalen vermeiden, indem die notwendige Entscheidung für die öffentliche Vollfinanzierung von Kindertagesstätten getroffen wird. Zwar gehen auch in NRW einige Kommunen bereits jetzt diesen Weg und finanzieren Kitas von freien Trägern vollständig, dies müssen sie sich jedoch leisten können. Hier sollten die Länder in der Verantwortung stehen, eine auskömmliche Kitafinanzierung unabhängig von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Kommunen und der freien Träger zu ermöglichen.

Rechtsprechung

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