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BAG: Urlaubs­abgeltung bei Langzeit­erkrankung ab Januar

Die 15-monatige Verfallfrist kann ausnahmsweise unabhängig von der Erfüllung der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten beginnen, wenn die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers so früh im Urlaubsjahr eintritt, dass es dem Arbeitgeber tatsächlich nicht möglich war, zuvor seinen Obliegenheiten nachzukommen.

Sachverhalt

Ein Angestellter, seit 1989 im öffentlichen Dienst, machte geltend, er sei von seinem Vorgesetzten gemobbt worden. Wegen psychischer Beeinträchtigungen war er seit dem 18.01.2016 bis 2019 durchgängig arbeitsunfähig. Nachdem die Parteien 2019 einen Aufhebungsvertrag geschlossen hatten, verlangte der Angestellte noch die vom Aufhebungsvertrag ausgenommene Urlaubsabgeltung für 30 Tage à 183,49 Euro brutto (insgesamt 5.504,70 Euro) aus dem Jahr 2016.

Entscheidung

Die Annahme des Landesarbeitsgerichts (LAG), der Urlaub aus dem Jahr 2016 sei mit Ablauf des 31.03.2018 vollständig erloschen, sei nicht richtig, so das BAG. Nach § 7 BUrlG verfalle der Urlaubsabgeltungsanspruch nur dann, wenn der Arbeitgeber seinen Angestellten vorher in die Lage versetzt habe, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen, und ihn darauf aufmerksam gemacht habe, dass der Anspruch verfalle, wenn er keinen Urlaub nehme. Sei der Arbeitnehmer das gesamte Kalenderjahr arbeitsunfähig, verfalle der Anspruch auch ohne Hinweis. Da der Anspruch auf Urlaub nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses laut § 4 BUrlG jeweils am 1. Januar eines Kalenderjahres entstehe, habe der Arbeitgeber auch ab diesem Zeitpunkt seiner Hinweispflicht unverzüglich (hier bis zum 8. Januar) zu genügen. Ob die Mitwirkung des Arbeitsgebers wegen besonderer Umstände später hätte geschehen dürfen, könne dem LAG-Urteil nicht entnommen werden. Deshalb hoben die Erfurter Richter das Urteil insoweit auf und verwiesen die Sache zurück.

Urlaubsansprüche können dem 9. Senat des BAG zufolge aber nur in dem Umfang erhalten bleiben, in dem der Arbeitnehmer ihn bis zum Eintritt der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit tatsächlich hätte in Anspruch nehmen können. Hier seien das zehn Tage – von Montag, 4. Januar, bis Freitag, 15. Januar. Da der Arbeitgeber erst ab dem 9. Januar seiner Hinweispflicht hätte nachkommen müssen, zählten nur die fünf Arbeitstage der zweiten Januarwoche. Im Übrigen ist die Revision dem BAG zufolge unbegründet

Bewertung

Die Entscheidung des BAG ist nachvollziehbar und richtig, da die Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten des Arbeitgebers keinem Selbstzweck dienen. Tritt die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers so früh im Urlaubsjahr ein, dass es dem Arbeitgeber tatsächlich nicht möglich war, den Arbeitnehmer zur Inanspruchnahme des Urlaubs zu veranlassen, erlischt der Urlaubsanspruch bei fortdauernder Erkrankung unabhängig von der Mitwirkung des Arbeitgebers mit Ablauf eines Übertragungszeitraums 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres. Das Risiko, wegen einer im Urlaubsjahr eintretenden Krankheit Urlaubsansprüche nicht erfüllen zu können, ist dem Arbeitgeber somit erst zugewiesen, wenn er seine Obliegenheiten tatsächlich erfüllen konnte. Bis dahin trägt der Arbeitnehmer das Verfallrisiko. Mit Entstehung des Urlaubsanspruchs muss der Arbeitgeber seiner Verantwortung bei der Inanspruchnahme des Urlaubs unverzüglich im Sinne von § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB – das heißt in der Regel innerhalb von sechs Werktagen – nachkommen, um nicht das Risiko zu tragen, dass Urlaub wegen einer im Verlauf des Urlaubsjahres eintretenden krankheitsbedingten Erkrankung des Arbeitnehmers nicht am Ende von 15 Monaten erlischt.

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