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Zusammenfassung und Einordnung des Koalitionsvertrags von CDU, CSU und SPD aus Dienstgeberperspektive

Am 9. April 2025 haben CDU, CSU und SPD ihren 144 Seiten starken Koalitionsvertrag unter dem Titel „Verantwortung für Deutschland“ präsentiert. Die Vereinbarung legt den politischen Rahmen für die Arbeit der kommenden Legislaturperiode fest und setzt wichtige Akzente – auch für die Sozialwirtschaft.

1. Die zentralen dienstgeberrelevanten Inhalte im Koalitionsvertrag

Mindestlohn und Tarifbindung

  • Bekenntnis zur „starken und unabhängigen“ Mindestlohnkommission (S. 18, Z. 546ff.).
  • Gleichzeitig politisches Ziel: Orientierung der Kommission an Tarifentwicklung und an 60 Prozent des Bruttomedianlohns – damit soll ein Mindestlohn von 15 Euro bis 2026 erreicht werden (S. 18, Z. 550ff.).
  • Einführung eines Bundestariftreuegesetzes für öffentliche Aufträge ab 50.000 Euro (S. 18, Z. 552ff.).

Fachkräftesicherung als zentrale Zukunftsaufgabe

  • Weiterentwicklung der Fachkräftestrategie des Bundes; Fokus auf Frauen-Erwerbsbeteiligung, Vereinbarkeit, qualifizierte Einwanderung (S. 14, Z. 404ff.).
  • Einrichtung einer „Work-and-Stay-Agentur“ als zentrale IT-Plattform, Beschleunigung der Anerkennung von Berufsqualifikationen, achtwöchige Anerkennungsfrist als Ziel (S. 14, Z. 420ff.).

Flexibilisierung der Arbeitszeiten & Arbeitszeiterfassung

  • Öffnung für wöchentliche statt tägliche Höchstarbeitszeiten bei Wahrung der Arbeitsschutzstandards; Sozialpartner-Dialog vorgesehen (S. 18, Z. 557ff.).
  • Pflicht zur elektronischen Arbeitszeiterfassung wird eingeführt, Vertrauensarbeitszeit bleibt im Rahmen der EU-Richtlinie erhalten (S. 18, Z. 561ff.).

Mitbestimmung und Digitalisierung

  • Online-Betriebsratsarbeit wird gesetzlich ermöglicht (Sitzungen, Versammlungen, Betriebsratswahlen) (S. 19, Z. 579ff.).
  • Gewerkschaften erhalten zusätzlich digitalen Zugang zu Betrieben (S. 19, Z. 582ff.).

Aktivierung von älteren Arbeitnehmern

  • Gehälter bis 2.000 Euro/Monat für Rentner, die über Regelaltersgrenze hinaus arbeiten, werden steuerfrei (S. 46, Z. 1471ff.).

Pendlerpauschale

  • Erhöhung auf 38 Cent ab erstem Kilometer ab 2026 (S. 46, Z. 1484f.).

Kirchen und Religionsgemeinschaften

  • Bestätigung der gesellschaftlichen Bedeutung und Schutz der Religionsfreiheit (S. 86, Z. 2758ff.).

AGG-Reform

  • Stärkung und Verbesserung des Diskriminierungsschutzes angekündigt (S. 92, Z. 2952ff.).

Schriftformerfordernisse

  • Schriftformerfordernisse, z.B. bei Befristungen, sollen abgebaut werden (S. 11, Z. 339f.).

Reform der telefonischen Krankschreibung:

  • Die Regelungen zur telefonischen Krankschreibung sollen so angepasst werden, dass Missbrauch ausgeschlossen wird. Private Online-Plattformen, die aktuell Krankschreibungen digital anbieten, sollen dabei künftig nicht mehr berücksichtigt werden. (S. 106, Z. 3376 f.)

Stärkung der Prävention psychischer Erkrankungen und Arbeitsschutz:

  • Die Koalition will den Arbeitsschutz umfassend auf seine Wirksamkeit prüfen, insbesondere in Bezug auf die Prävention psychischer Erkrankungen. Unnötige Mehrfachprüfungen sollen vermieden und ein besserer Datenaustausch ermöglicht werden. Zudem sollen die Arbeitsbedingungen für körperlich stark belastete Berufsgruppen verbessert werden. (S. 16, Z. 482ff.)

Steuerfreie Zuschläge für Mehrarbeit:

  • Zuschläge für Arbeitsstunden über die tariflich vereinbarte Vollzeitarbeit hinaus sollen steuerfrei werden. Als Vollzeitarbeit gelten tariflich 34 Stunden, ohne Tarifbindung 40 Stunden. (S. 18, Z. 569ff.)

Steuerliche Begünstigung von Prämien bei Arbeitszeitausweitung:

  • Arbeitgeberprämien für die Erhöhung von Teilzeitarbeitszeiten sollen steuerlich begünstigt werden. (S. 18, Z. 574ff.)

Steuererleichterung bei Weiterarbeit im Rentenalter:

  • Wer nach Erreichen des gesetzlichen Rentenalters weiterarbeitet, soll bis zu 2.000 Euro monatlich steuerfrei verdienen können. (S. 20, Z. 609ff.)

2. Ressortverteilung

CDU

(S. 143, Z. 4557ff.)

 

 

CSU

(S. 143, Z. 4573ff.)

SPD

(S. 143, Z. 4565ff.)

 
  • Der Chef des Bundeskanzleramtes im Range eines Bundesministers
  • Wirtschaft und Energie
  • Auswärtiges Amt
  • Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend
  • Gesundheit
  • Verkehr
  • Digitalisierung und Staatsmodernisierung
 
 
  • Innen
  • Forschung, Technologie und Raumfahrt
  • Ernährung, Landwirtschaft und Heimat
 
 
  • Finanzen
  • Justiz und Verbraucherschutz
  • Arbeit und Soziales
  • Verteidigung
  • Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit
  • Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
  • Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen
 

3. Einordnung / Bewertung

Der Koalitionsvertrag enthält einige aus Dienstgebersicht wichtige Impulse, aber auch kritische Punkte. Grundsätzlich begrüßen die Dienstgeber, dass ein ursprünglich diskutierter Eingriff in das kirchliche Arbeitsrecht nicht umgesetzt wurde. Damit bleibt die verfassungsrechtlich garantierte Autonomie der Kirchen im Arbeitsrecht gewahrt. In Krisenzeiten ist dies ein starkes Signal für die Caritas-geprägte Sozialwirtschaft.

Höchst fragwürdig ist der geplante Eingriff in die freie Sozialpartnerschaft durch die politische Zielvorgabe an die Mindestlohnkommission. Die vorgesehene Orientierung an 60 Prozent des Bruttomedianlohns schwächt die Unabhängigkeit der Kommission und verengt die tarifautonome Lohnfindung erheblich. Hier droht eine schleichende Politisierung der Lohnsetzung zulasten bewährter tariflicher Strukturen.

Mit Blick auf die angekündigte Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) bleibt abzuwarten, ob diese mit der besonderen Situation kirchlicher Arbeitgeber vereinbar bleibt. Der Hinweis auf eine Stärkung des Diskriminierungsschutzes muss sorgfältig verfolgt werden, um Einschränkungen des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts zu vermeiden.

Positiv zu bewerten ist hingegen die Reform der telefonischen Krankschreibung: Der vorgesehene Ausschluss privater Online-Plattformen schafft Rechtssicherheit für Arbeitgeber und stärkt das Vertrauen in eine verantwortungsvolle Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.

Begrüßt werden kann auch die Betonung der Fachkräftesicherung. Die stärkere Erwerbsbeteiligung von Frauen – etwa durch Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf – ist im Kontext des demografischen Wandels ein wichtiger Ansatz, um Arbeitskräftepotenziale zu mobilisieren. Entscheidend wird jedoch sein, dass diesen Zielen auch konkrete Investitionen in Infrastruktur, wie etwa den Ausbau von Kitas, folgen.

Unklar bleibt dagegen, was die Koalition unter einer Verbesserung der „Arbeitsbedingungen für körperlich stark belastete Berufsgruppen“ konkret versteht. Hier ist zu hoffen, dass es sich eher um einen politischen Appell handelt und nicht um zusätzliche Verpflichtungen, die Arbeitgeber einseitig belasten würden. Viele Herausforderungen in belastenden Berufen sind struktureller Natur und erfordern gesellschaftliche Gesamtlösungen, keine weiteren Auflagen für einzelne Arbeitgeber.

Insgesamt wird es darauf ankommen, die angekündigten Reformen in enger Abstimmung mit den Sozialpartnern und den kirchlichen Trägern so umzusetzen, dass die Balance zwischen notwendiger Modernisierung und der Wahrung bewährter Strukturen bestehen bleibt. Die Rolle der Dienstgeberseite wird bei den vorgesehenen Dialogformaten eine sehr zentrale darstellen.

4. Ausblick

Nach der Vorstellung des Koalitionsvertrags am 9. April beginnen nun die parteiinternen Entscheidungsprozesse. CDU und CSU beraten den Vertrag in ihren Fraktionen und Vorständen. Die Sozialdemokraten führen parallel ein Mitgliedervotum durch, dessen Ergebnis am 30. April erwartet wird. Bei erfolgreichem Abschluss der parteiinternen Verfahren soll der Koalitionsvertrag voraussichtlich Ende April unterzeichnet werden. In der ersten Maiwoche könnte die Wahl des Bundeskanzlers sowie die Vereidigung der neuen Bundesregierung im Bundestag erfolgen. Vorausgesetzt, alle Prozesse verlaufen planmäßig, könnte die neue Bundesregierung damit bis Mitte Mai 2025 ihre Arbeit aufnehmen. Verzögerungen wären nur bei unvorhergesehenen Komplikationen im SPD-Mitgliedervotum oder im Bundestag denkbar, gelten aber nach aktuellem Stand als unwahrscheinlich.

Bericht aus Berlin

Autor/-in: Robin Lippa

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