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„Tarifgerechte Entlohnung“ in der Pflegebranche jetzt auch für Hospize?

Knapp zweieinhalb Jahre nach Einführung der „Tarifgerechten Entlohnung“ in Pflegeeinrichtungen soll diese spezielle Entlohnungspflicht zukünftig auch in Hospizen gelten. Gleichzeitig stehen dringend gebotene Reformen bei dieser Entlohnungspflicht aus.

Seit 2022 hängt die Zulassung für Pflegeeinrichtungen daran, dass sich der Einrichtungsträger verpflichtet, sich entweder selbst an einen Tarifvertrag oder an eine kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinie (AVR) zu binden, oder einen solchen Tarifvertrag oder eine solche kirchliche AVR anzuwenden, oder das sogenannte regional übliche Entlohnungsniveau gegenüber den eigenen Beschäftigten einzuhalten. In der Praxis haben sich zwei große Gruppen von Einrichtungen herausgebildet: auf der einen Seite die tarif- oder AVR-gebundenen, auf der anderen Seite die Einrichtungen, die das jeweilige regional übliche Entlohnungsniveau zahlen. Die Gruppe der Einrichtungen, die sich an einem Tarifvertrag oder an einer kirchlichen AVR orientieren, ist dagegen vergleichsweise klein.

Das System der „Tarifgerechten Entlohnung“ wird seit 2024 von einer Expertengruppe beim Bundesgesundheitsministerium evaluiert, wobei die DGS der Caritas immer wieder betont, dass dieses im Grundsatz befürwortete System für Tarif- und AVR-gebundene Einrichtungen bürokratisch zu entschlacken ist . Nun soll die Tarifgerechte Entlohnung auf Hospize ausgeweitet werden.

1. Die regional üblichen Entlohnungsniveaus – für die einen eine gute Lösung, für die anderen ein hoher Aufwand

Die Auszahlung von Entlohnungen, die im Durchschnitt dem jeweiligen regional üblichen Entlohnungsniveau entsprechen, ist für eine nicht tarif- oder nicht AVR-gebundene Einrichtung einfach, denn die regional üblichen Entlohnungsniveaus werden jedes Jahr neu berechnet und veröffentlicht. Die entsprechende Einrichtung muss also jedes Jahr die eigenen Löhne lediglich an die neue Veröffentlichung anpassen.

Die Berechnung der regional üblichen Entlohnungsniveaus kommt allerdings nicht ohne eine Einbindung der tarif- und AVR-gebundenen Einrichtungen aus. Diese müssen jährlich im August die Anzahl ihrer Beschäftigten in Pflege- und Betreuung an den GKV-Spitzenverband melden – und zwar getrennt nach Pflegehilfskräften ohne Ausbildung, Pflegehilfskräften mit mindestens einjähriger Ausbildung und Pflegefachkräften. Ferner müssen sie ihre Durchschnittsentlohnungen für jede der drei Qualifikationsgruppen melden und schließlich die tarifvertraglich oder AVR-mäßig festgesetzten Zuschläge für Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit. Es ist leicht vorstellbar, welche personellen und sachlichen Ressourcen durch diese jährliche Meldung pro Einrichtung gebunden werden. Die Tatsache, dass die Meldungen im August, also typischerweise mitten in den Sommerferien zu erfolgen haben, macht die Sache nicht einfacher.

2. Die Berechnung der regional üblichen Entlohnungsniveaus

Deutschlandweit sind mehr als 10.000 Pflegeeinrichtungen tarif- oder AVR -gebunden und damit verpflichtet, jährlich ihre Meldungen zur Beschäftigtenanzahl und den Entlohnungsparametern abzugeben. Aus diesen Meldungen werden für jedes Bundesland einzeln die regional üblichen Entlohnungsniveaus für alle drei gerade genannten Qualifikationsgruppen berechnet, wobei die gemeldeten durchschnittlichen Entlohnungen anhand der gemeldeten Beschäftigtenzahlen gewichtet werden.

Dieses Berechnungsverfahren ist aus mehreren Gründen fehleranfällig. Auf der einen Seite besteht die begründete Vermutung, dass zahlreiche Einrichtungen fehlerhafte Daten an den GKV-Spitzenverband melden, der auf der anderen Seite kein Recht zur Datenkorrektur hat, sondern gemeldete Daten nur auf Plausibilität prüfen und ggf. aus der Berechnung herausnehmen kann.

3. Die Ausdehnung der „Tarifgerechten Entlohnung“ auf Kinder- und Jugendhospize

Am 18. November 2024 wurden die Rahmenvereinbarung über Art und Umfang sowie Sicherung der Qualität der stationären Hospizversorgung und die Rahmenvereinbarung über Art und Umfang sowie Sicherung der Qualität der stationären Kinder- und Jugendhospizversorgung neugefasst. In beiden Rahmenvereinbarungen vereinbarten Kostenträger und Leistungserbringer, dass Zulassungen für Hospize, ferner für Kinder- und Jugendhospize zukünftig ebenfalls davon abhängig sein sollen, dass in den entsprechenden Hospizen nach AVR oder Tarifvertrag entlohnt wird. Da Hospize in aller Regel einen pflegeversicherungsrechtlichen Versorgungsvertrag abzuschließen haben, sind die Regelungen in beiden Rahmenvereinbarungen konsequent.

Daher werden z.B. Hospize in Trägerschaft der Caritas zukünftig als AVR-gebundene Einrichtungen jährlich ihre Beschäftigtenzahl und Entlohnungsparameter an den GKV-Spitzenverband melden müssen.

Interessant ist dies gerade bei Kinder- und Jugendhospizen, die nicht nur pflegerisches Personal unterhalten, sondern auch pädagogische Fachkräfte zur Betreuung der sich dort aufhaltenden Kinder- und Jugendlichen. Für solche pädagogischen Fachkräfte ist das Meldeverfahren beim GKV-Spitzenverband jedoch nicht zugeschnitten. Von daher stellt sich die Frage, wie die betroffenen tarif- und AVR-gebundenen Kinder- und Jugendhospize zukünftig ihre jährlichen Meldungen abzugeben haben. Dies ist insbesondere deshalb interessant, weil die wenigen Kinder- und Jugendhospize kaum genug Personal haben dürften, um die Berechnung der regional üblichen Entlohnungsniveaus zu beeinflussen.

4. Vereinfachung der Berechnung der regional üblichen Entlohnungsniveaus

Die DGS hatte in der Expertengruppe beim BMG eine grundsätzliche Änderung des Melde- und Berechnungsverfahrens für die regional üblichen Entlohnungsniveaus vorgeschlagen.

Danach sollen AVR- oder tarifgebundene Pflegeeinrichtungen zukünftig nur noch z.B. alle fünf Jahre melden, an welchen Tarifvertrag/welche AVR sie gebunden sind und gleichzeitig die Anzahl ihrer Pflege- und Betreuungskräfte nach den drei Qualifikationsgruppen. Daneben sollen die Dienst- oder Arbeitgeberverbände die notwendigen Entlohnungsparameter melden, aus denen die regional üblichen Entlohnungsniveaus berechnet werden. Der Gesetzgeber selbst soll darüber hinaus festgelegen, welche tariflichen Entgeltgruppen und Entgeltstufen in die Berechnung der regional üblichen Entlohnungsniveaus einfließen. Aus diesen Daten werden die regional üblichen Entlohnungsniveaus in abstrahierter Form berechnet. In Jahren zwischen zwei Meldungen werden die Entlohnungsniveaus anhand der allgemeinen tariflichen Entwicklung angepasst.

Bei Einrichtungen, wie Hospizen, in denen zwar die Regelungen zur „Tarifgerechten Entlohnung“ gelten, die aber einerseits aufgrund ihrer Personalzusammensetzung nicht in das hergebrachte Meldeverfahren passen und andererseits aufgrund ihrer geringen Verbreitung rechnerisch nicht ins Gewicht fallen, sollte darauf verzichtet werden, diese am jährlichen Meldeverfahren zu beteiligen.

Gesetzgebung

Autor/-in: Dr. Florian Bauckhage-Hoffer

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