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Sondierungspapier, Koalitionsgespräche und Grundgesetzänderung – Was Caritas-Dienstgeber jetzt wissen müssen

Seit dem 13. März laufen die Koalitionsverhandlungen – zentrale arbeits- und sozialpolitische Fragen werden dabei aktuell in der Arbeitsgruppe Arbeit & Soziales behandelt.

Sondierungspapier, Koalitionsgespräche und Grundgesetzänderung – Was Caritas-Dienstgeber jetzt wissen müssen

Mit der Einigung auf ein gemeinsames Sondierungspapier und dem Bundestagsbeschluss zur Grundgesetzänderung vom 18. März 2025 ist der Weg für eine Regierungsbildung durch CDU, CSU und SPD weitgehend geebnet. Seit dem 13. März laufen die Koalitionsverhandlungen – zentrale arbeits- und sozialpolitische Fragen werden dabei aktuell in der Arbeitsgruppe Arbeit & Soziales konkretisiert.

Das am 8. März 2025 veröffentlichte Sondierungspapier definiert vier übergeordnete Themenschwerpunkte, die die Koalitionsgespräche maßgeblich prägen: Finanzierung, Wirtschaft, Arbeit und Soziales sowie Migration. Ergänzend enthält es weitere ausgewählte Vorhaben.

Im Folgenden finden Sie:

  • einen Überblick über die für die Dienstgeberseite relevanten Kernpunkte des Sondierungspapiers,
  • eine Bewertung der politischen Vorhaben aus Dienstgebersicht sowie
  • die neuesten Informationen zu den laufenden Koalitionsverhandlungen.

Relevante Kernpunkte des Sondierungspapiers

Finanzierung (S. 2f.)

  • Es wird ein Sondervermögen Infrastruktur in Höhe von 500 Milliarden Euro geschaffen, das explizit auch Krankenhaus-Investitionen umfasst (S. 2, Z. 59ff.).

Wirtschaft (S. 3f.)

  • Die „breite Mittelschicht“ soll durch eine Einkommensteuerreform entlastet werden (S. 4, Z. 139f.).
  • Die Zahl gesetzlich vorgeschriebener Betriebsbeauftragter soll „signifikant reduziert“ werden, ebenso sollen weitere Maßnahmen zum Bürokratieabbau folgen (S. 5, Z. 152ff.).

Arbeit und Soziales (S. 5ff.)

  • Erwerbsfähige Arbeitslose sollen mehr in dauerhafte Beschäftigung gebracht werden (S. 5, Z. 185ff.).
  • Die Mindestlohnkommission soll sich künftig neben der Tarifentwicklung auch an 60 % des Bruttomedianlohns orientieren, was einem Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 entsprechen würde (S. 6, Z. 209ff.)
  • Tarifbindung soll gestärkt und ein Bundestariftreuegesetz eingeführt werden (S. 6, Z. 219ff.). 
  • Die Möglichkeit einer wöchentlichen statt täglichen Höchstarbeitszeit wird geschaffen, wobei die geltenden Ruhezeitregelungen erhalten bleiben (S. 6, Z. 223ff.).
  • Die Mitbestimmung soll angesichts der Herausforderungen durch Digitalisierung und Künstliche Intelligenz weiterentwickelt werden (S. 7, Z. 230ff.).
  • Zuschläge für Mehrarbeit sollen steuerfrei gestellt werden (S. 7, Z. 233ff.). Weiter heißt es: „Als Vollzeitarbeit gilt dabei für tarifliche Regelungen eine Wochenarbeitszeit von mindestens 34 Stunden, für nicht tariflich festgelegte oder vereinbarte Arbeitszeiten von 40 Stunden“ (S. 7, Z. 235ff.).
  • Arbeitgeberseitige Prämien an Mitarbeitende zur Ausweitung der Arbeitszeit sollen steuerlich begünstigt werden (S. 7, Z. 237ff.).
  • 45 Beitragsjahre bleiben als Voraussetzung für abschlagsfreien Renteneintritt bestehen. Finanzielle Anreize für längeres Arbeiten sollen eingeführt werden (S. 7, Z. 246ff.).
  • Fachkräftesicherung: Ein Bürokratieabbau bei der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse wird angestrebt, zudem soll eine digitale Fachkräfteagentur geschaffen werden (S. 8, Z. 265ff.).

Weitere ausgewählte Vorhaben (S. 10f.)

  • Die Gesundheitsversorgung soll in Stadt und Land „bedarfsgerecht“ gesichert werden (S. 10, Z. 347ff.).
  • Gleicher Lohn für gleiche Arbeit: Gesetzliche Maßnahmen zur Durchsetzung dieser Forderung werden geprüft (S. 10, Z. 384ff.).
  • Betreuungsausbau: Bund, Länder und Kommunen sollen für mehr Kitas, Ganztagsschulen und Tagespflege sorgen (S. 11, Z. 392ff.).

Einordnung

Positiv aus Dienstgebersicht

Kritische Punkte aus Dienstgebersicht

 
  • Das kirchliche Arbeitsrecht wird im Sondierungspapier nicht infrage gestellt.
  • Die Möglichkeit einer wöchentlichen statt täglichen Höchstarbeitszeit (wobei es auf die konkrete Umsetzung ankommt). 
  • Der geplante Bürokratieabbau durch Reduktion gesetzlich vorgeschriebener Betriebsbeauftragter. Jedoch: Inwiefern auch sonstige Bürokratie- und Dokumentationsbelastungen, speziell im Sozialsektor, reduziert werden sollen, bleibt unerwähnt.
  • Steuerliche Anreize für Mehrarbeit und längere Erwerbstätigkeit.
  • Investitionen in Krankenhäuser und Infrastruktur, die für unsere Träger relevant sein könnten.
  • Vereinfachung von Fachkräftezuwanderung.
 
 
  • Die Mindestlohndebatte ist klar in Richtung einer Erhöhung auf 15 Euro gelenkt. Diese Entwicklung verspricht erneut eine Einmischung in die Tarifautonomie und in die freie Arbeit der Mindestlohnkommission.
  • Das Bundestariftreuegesetz birgt die Gefahr, neue bürokratische Lasten für tarifgebundene Unternehmen sowie für solche, die an kirchliche AVR gebunden sind, zu schaffen.
  • In der Rentenpolitik werden keine tragfähigen Lösungen zur Senkung der Sozialversicherungsbeiträge skizziert – eine hohe Kostenbelastung bleibt bestehen.

 

Der aktuelle Stand der Regierungsbildung

Seit dem 13. März 2025 laufen die offiziellen Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, CSU und SPD. Neben den Parteivorständen, einer zentralen Verhandlungsgruppe sowie einer Steuerungsgruppe wurden insgesamt 16 thematische Arbeitsgruppen eingesetzt, darunter die für die Dienstgeberseite besonders relevante AG Arbeit & Soziales. In dieser Arbeitsgruppe werden wesentliche Details zu den im Sondierungspapier skizzierten arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Maßnahmen konkretisiert.

Die Verhandlungsteams der AG Arbeit & Soziales setzen sich wie folgt zusammen:

CDU/CSU

SPD

Carsten Linnemann
Marc Biadacz
Ines Claus
Gitta Connemann
Dr. Stefan Nacke
Dennis Radtke
Stephan Stracke
Peter Aumer
Ulrike Scharf

Katja Mast
Dagmar Schmidt
Kerstin Griese
Cansel Kiziltepe
Annika Klose
Dirk Panter
Natalie Pawlik

Für die Arbeitsgruppen ist eine enge Frist gesetzt: Bis Montag, den 24. März 2025 sollen die inhaltlichen Ergebnisse vorliegen – also einen Tag vor der Konstituierenden Sitzung des neuen Bundestags am 25. März 2025.

Die parteiinternen Abstimmungen über einen möglichen Koalitionsvertrag sind für Anfang April terminiert. Sollten CDU/CSU und SPD ihr Ziel, die Regierungsbildung bis Ostern abzuschließen, einhalten können, ist mit einer Unterzeichnung des Koalitionsvertrags im Laufe des April zu rechnen. Eine Wahl des neuen Bundeskanzlers könnte dann ebenfalls noch im April erfolgen. Derzeit mehren sich jedoch die Stimmen, dass dieses Ziel nicht erreichbar sei.

Von besonderem Interesse für die Caritas-Dienstgeberseite bleibt, inwieweit in den laufenden Verhandlungen die Themen Mindestlohn, Tariftreuegesetz sowie die Ausgestaltung der Höchstarbeitszeitregelungen weiter konkretisiert werden – insbesondere, ob es noch Anpassungen gegenüber den Aussagen des Sondierungspapiers geben wird.

Fazit: Zeichen stehen auf rasche Regierungsbildung – Chancen und Herausforderungen für Dienstgeberseite bleiben

Das Sondierungsergebnis signalisiert keinen grundlegenden arbeitsmarktpolitischen Wechsel, sondern eine Fortsetzung und teils Verschärfung arbeitsrechtlicher Regulierungen. Die geplante Mindestlohnanhebung, der Tariftreueansatz und mögliche Eingriffe in die Lohnfindung stehen aus Sicht der Dienstgeberseite weiterhin im Spannungsverhältnis zur grundgesetzlich garantierten Tarifautonomie.

Positiv hervorzuheben ist, dass das kirchliche Arbeitsrecht im Sondierungspapier keine explizite Thematisierung oder Infragestellung erfährt. Während der vorherige Koalitionsvertrag noch einen Prüfauftrag hierzu enthielt, bleibt eine solche Passage nun aus – ein wichtiges Signal für die rechtliche Stabilität unseres Systems. Gleichwohl können Vorhaben wie das Bundestariftreuegesetz für Anwender kirchlicher AVR zusätzliche administrative Herausforderungen mit sich bringen.

Erfreulich aus Dienstgebersicht sind zudem Ansätze zur Flexibilisierung der Arbeitszeitgestaltung, steuerliche Anreize für längere Erwerbstätigkeit sowie geplante Erleichterungen bei der Fachkräftegewinnung.

Mit der Zustimmung des Bundestages zur Grundgesetzänderung und dem damit verabschiedeten Finanzpaket zur Schuldenreform am 18. März 2025 wurde nun eine zentrale Voraussetzung für die Umsetzung der vereinbarten Investitionsvorhaben geschaffen. Diese Einigung setzt ein deutliches Zeichen für eine zügige Regierungsbildung und dürfte den weiteren Verlauf der Koalitionsverhandlungen prägen.

Es bleibt abzuwarten, wie konkret die inhaltlichen Details – insbesondere in der Arbeitsgruppe Arbeit & Soziales – ausgehandelt werden. Dabei wird sich zeigen, ob die bisherigen Sondierungsergebnisse 1:1 in den Koalitionsvertrag überführt oder an entscheidenden Punkten noch angepasst werden. Aus Dienstgeberperspektive wird dabei insbesondere relevant sein, ob Belastungen durch weitere Regulierungen reduziert und Chancen in Bereichen wie Bürokratieabbau und Fachkräftesicherung genutzt werden.

Bericht aus Berlin

Autor/-in: Robin Lippa

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