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Nach der Bundestagswahl 2025: Der Kurswechsel in der Regierung und was er für die Sozialwirtschaft bedeutet

Mit dem Ausgang der Bundestagswahl am 23. Februar 2025 sind die Weichen für die politische Zukunft Deutschlands neu gestellt.

Die Union hat die Wahl gewonnen und sieht sich nun vor der Herausforderung, eine neue Regierung zu bilden. Ihr Wunschpartner und einzige realistische Option: SPD. Wie ernst die möglicherweise künftige Bundesregierung es meint, zeigt sich darin, dass Union und SPD bereits zehn Tage nach der Bundestagswahl ihre Pläne für ein milliardenschweres Finanzpaket, einschließlich Reform der Schuldenbremse, vorstellten. Während wohl bald auch die Koalitionsgespräche aufgenommen werden, bleibt abzuwarten, wie sich die politischen Akteure in den Bereichen der Sozialpolitik und der Arbeitsmarktreformen positionieren werden.

Wahlergebnisse und die künftige Regierung: Was erwartet die Sozialwirtschaft?

Mit der Bundestagswahl am 23. Februar 2025 haben sich die politischen Kraftverhältnisse in Deutschland grundlegend verändert. Die Union konnte sich mit 28,5 Prozent als stärkste Kraft behaupten, während die SPD mit 16,4 Prozent deutliche Verluste hinnehmen musste. Die AfD konnte ihre Wählerschaft massiv ausbauen und erzielte 20,8 Prozent. Einen gravierenden Verlust erlitt die FDP, die mit 4,3 Prozent den Einzug in den Bundestag verpasste. Während die Grünen (11,6 Prozent) sehr wahrscheinlich ihre Rolle in der Opposition definieren müssen, freut sich die Linke (8,8 Prozent) über die überraschend dazugewonnenen Sitze im Parlament. Die Wahlergebnisse bedeuten eine umfassende Verschiebung der politischen Rollen von Regierungs- und Oppositionsfraktionen, was auch für die Sozialwirtschaft von Bedeutung sein wird.

Die Koalitionsverhandlungen

Die Sondierungsgespräche zwischen Union und SPD sind in vollem Gange, und beide Seiten betonen, dass die Koalitionsverhandlungen bis Ostern abgeschlossen sein sollen. Nachdem zunächst ein kleineres Verhandlungsformat vorgesehen war, wurden die Teams inzwischen erweitert.

Aufseiten der Union verhandeln nun neben CDU-Chef Friedrich Merz, CSU-Chef Markus Söder, Generalsekretär Carsten Linnemann, CSU-Generalsekretär Martin Huber, Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt auch die stellvertretende CDU-Vorsitzende Karin Prien, die CSU-Politikerin Dorothee Bär sowie Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer. Für die SPD sitzen Parteichef und Fraktionsvorsitzender Lars Klingbeil, Co-Parteichefin Saskia Esken, Generalsekretär Matthias Miersch, Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, Saarlands Ministerpräsidentin Anke Rehlinger, Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig, Verteidigungsminister Boris Pistorius, Arbeitsminister Hubertus Heil und Haushaltsexperte Achim Post am Tisch.

Aktuell sehen sich die Verhandler insbesondere durch sicherheitspolitische Herausforderungen zu einer raschen Regierungsbildung gedrängt. Internationale Entwicklungen, allen voran die geopolitischen Spannungen und die Debatten über eine eigenständigere europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik, haben die Erwartungshaltung an eine handlungsfähige Bundesregierung deutlich erhöht.

Der Wahlkampf und die Erwartungen an die Union: Wirtschaftspolitische Wende im Fokus

Im Wahlkampf hat die Union das Narrativ einer Wirtschafts- und Aufbruchsstimmung stark in den Vordergrund gestellt. Das zentrale Versprechen lautete, Deutschland mit einer wachstumsorientierten und unternehmerfreundlichen Politik aus der aktuellen wirtschaftlichen und sozialen Krise zu führen, die Wirtschaftskraft zu steigern und Arbeitsmarktreformen voranzutreiben.

Insbesondere Arbeitgeberverbände drängen nun darauf, dass die Union in der Koalition für eine starke wirtschaftspolitische Agenda eintritt. Themen wie Arbeitsrecht, Flexibilisierung von Arbeitszeiten und die Entlastung von Unternehmen müssen im Mittelpunkt wirtschaftspolitischer Überlegungen von Union und SPD stehen. Dabei geht es nicht nur darum, die Rahmenbedingungen für Unternehmen zu verbessern, sondern auch den Arbeitsmarkt dynamischer und flexibler zu gestalten.

SPD: Ein "teurer” Partner für die Union?

Doch die SPD wird ihren Preis für den Eintritt in eine Koalition fordern. Lars Klingbeil, Fraktionsvorsitzender der SPD, hat bereits klar gemacht, dass die Sozialdemokraten nicht um jeden Preis in eine Regierung eintreten werden. Anders ausgedrückt: Die politische Notlage der Union, die SPD als einzigen realistischen Koalitionspartner gewinnen zu müssen, verschafft der SPD neue Verhandlungsspielräume. Trotz des Wahlverlustes kann sie nun Sondierungen und Koalitionsgespräche mit ihren Maximalforderungen führen. Diese umfassen unter anderem eine deutliche Erhöhung des Mindestlohns, eine nur bedingt akzeptierte Arbeitszeitflexibilisierung sowie umfassende Fragen der Renten- und Sozialpolitik. Eine anspruchsvolle Verhandlungssituation für die CDU/CSU.

Mit der Einigung vom 4. März 2025 zwischen Union und SPD auf ein milliardenschweres Finanzpaket und eine mögliche Reform der Schuldenbremse steht CDU-Chef Friedrich Merz nun erheblich unter Druck – innerparteilich wird ihm sogar vorgeworfen, zentrale Wahlversprechen gebrochen zu haben. Gleichzeitig könnte diese Positionsverschiebung seine Verhandlungsstärke in anderen Bereichen erhöhen. Nachdem Merz in der Finanzpolitik bereits Zugeständnisse gemacht hat, könnte er nun in wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Fragen stärker eigene Akzente setzen.

Ausblick: Was erwartet die Sozialwirtschaft?

Mit Blick auf die Sozialwirtschaft wird auch die künftige Regierung vor komplexe Herausforderungen gestellt, vor allem in Bezug auf den Fachkräftemangel, den demografischen Wandel und den steigenden Bedarf an flexiblen Arbeitszeitmodellen. In einer möglichen schwarz-roten Koalition könnten folgende Themen die politische Agenda prägen:

  1. Staatliche Steuerung der Tarifpolitik: Die Union wird eine stärkere Betonung auf betriebliche Gestaltungsspielräume und eine Reduzierung staatlicher Eingriffe in die Tarifpolitik legen.
  2. Mindestlohn & die Rolle der Mindestlohnkommission: Die SPD wird hingegen weiterhin auf eine Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf 15 Euro drängen, was zu Spannungen zwischen den Koalitionspartnern führen könnte. Dies wird daher ein zentrales Thema der Verhandlungen sein. In dieser Diskussion wird zudem nicht mehr und nicht weniger als die Rolle der Sozialpartner verhandelt.
  3. Flexibilisierung des Arbeitszeitrechts: Die Union wird vermutlich die Flexibilisierung von Arbeitszeiten vorantreiben wollen, um den betrieblichen Anforderungen gerecht zu werden. Die SPD wird hingegen den Fokus darauf legen, dass der Arbeitnehmerschutz gewahrt bleibt.
  4. Arbeits- und Fachkräftegewinnung: Eine schnelle und effiziente Anerkennung ausländischer Qualifikationen sowie die Schaffung eines attraktiven Arbeitsumfelds in der Sozialwirtschaft bleiben auf der politischen Agenda – ob politische Projekte mittel- und langfristiger Tragweite gefunden werden, bleibt jedoch offen – und vor dem Hintergrund der noch ungeklärten haushaltspolitischen Situation unwahrscheinlich.

Die Rolle der Dienstgeberseite

Für die Dienstgeberseite der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes wird es entscheidend sein, die politischen Entwicklungen und Gesetzesvorhaben genau zu verfolgen. Die neue Legislatur und die durch die Wahlergebnisse verstärkte Dringlichkeit einer modernen Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik bieten uns die Möglichkeit, die drängenden Herausforderungen der Sozialwirtschaft klar zu adressieren und aktiv an der Gestaltung einer zukunftsfähigen Politik mitzuwirken.

Fünf Punkte stehen hierbei im Mittelpunkt:

  • Dritter Weg als wertvolle Form der Arbeitsrechtssetzung
  • Gleichstellung von AVR und Tarifverträgen
  • Orientierung des Mindestlohns an der Tarifentwicklung
  • Flexibilisierung des Arbeitszeitrechts
  • Vereinfachung der Berufsanerkennungsregelungen für Arbeits- und Fachkräfte aus dem Ausland

Bericht aus Berlin

Autor/-in: Robin Lippa

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