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ArbG Lübeck: Kündigung bei Vorlage einer aus dem Internet heruntergeladenen Impf­unfähig­keits­bescheinigung

Legen Mitarbeitende in Einrichtungen, in denen eine einrichtungsbezogene Impfpflicht gilt, ihren Arbeitgebern eine aus dem Internet ausgedruckte „Bescheinigung über die vorläufige Impfunfähigkeit“ vor, ohne dass eine Untersuchung durch die bescheinigende Ärztin erfolgt ist, kann dies zur wirksamen Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen.

Sachverhalt

Die Klägerin ist Krankenschwester und seit 2001 in der beklagten Klinik beschäftigt. Im Zuge der Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht wurde die Klägerin angewiesen, den Impf- bzw. Genesenenstatus nachzuweisen oder ein ärztliches Impfunfähigkeitszeugnis einzureichen. Daraufhin legte die Klägerin der Beklagten eine aus dem Internet ausgedruckte Bescheinigung vor, die die Unterschrift einer Ärztin aus Süddeutschland trägt und der Klägerin eine sechsmonatige vorläufige Impfunfähigkeit bescheinigt. Mit der Ärztin fanden keinerlei Besprechungen – auch nicht in digitaler Form – statt. Die Arbeitgeberin hat der Klägerin daraufhin im Januar 2022 fristlos, hilfsweise ordentlich gekündigt. Dagegen wehrte sich die Klägerin mit einer Kündigungsschutzklage.

Entscheidung

Das Arbeitsgericht hat der Klage nur teilweise stattgegeben. Insbesondere befand es die hilfsweise ordentliche Kündigung aufgrund des Fehlverhaltens der Klägerin für sozial gerechtfertigt und damit wirksam. Das Vorlegen einer vorgefertigten ärztlichen Impfunfähigkeitsbescheinigung, ohne dass vorher eine Untersuchung stattfand, stelle eine erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten dar. Der Klägerin sei bewusst gewesen, dass durch die Vorlage der Bescheinigung bei der Beklagten der Anschein eines ärztlichen Zeugnisses erweckt würde, das in Wahrheit aber nicht auf einer ärztlichen Untersuchung beruhe. Die Schwere der Pflichtverletzung sei daher so schwer, dass sie das Vertrauen in eine ungestörte weitere Zusammenarbeit auch ohne vorherige Abmahnung zerstöre. Das Arbeitsgericht stellte weiter fest, dass sich aus § 20a IFSG kein arbeitsrechtliches Kündigungsverbot ergebe.

Die fristlose Kündigung wurde aufgrund der langen Betriebszugehörigkeit der Klägerin für unverhältnismäßig und damit unwirksam erklärt.

Bewertung

Die derzeit nur als Pressemitteilung vorliegende und noch nicht rechtskräftige Entscheidung des Arbeitsgerichts Lübeck ergänzt die bisher vorliegenden Urteile zu Kündigungen im Zusammenhang mit der Vorlage gefälschter Impfnachweise. Nach vertretener Auffassung der erstinstanzlichen Gerichte stellt das Vorlegen falscher Ausweise und Nachweise im Bezug auf die einrichtungsbezogene Impfpflicht grundsätzlich eine erhebliche Erschütterung des für das Arbeitsverhältnis erforderliche Vertrauensverhältnis dar. Damit kann ein Kündigungsgrund vorliegen, der im Rahmen der sozialen Rechtfertigung für wirksame ordentliche Kündigungen im Anwendungsbereich des KSchG und im Rahmen der zweistufigen Abwägung als objektiv wichtiger Grund für wirksame außerordentliche Kündigungen erforderlich ist.

Die Wirksamkeit von Kündigungen hängt dabei jedoch weiter vom Einzelfall, insbesondere von den ordnungsgemäß vorzunehmenden Interessen- und Verhältnismäßigkeitsabwägungen, ab.

Arbeitsgericht (ArbG) Lübeck, Urteil vom 13.04.2022 Az. 5 Ca 189/22

Rechtsprechung

Autor/-in: Yolanda Thau

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