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Untersuchung zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf in Unternehmen

Maßnahmen und Unterstützungsangebote für Beschäftigte während der COVID-19-Pandemie

Studieninhalt und Untersuchungsgegenstand

Im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) hat die Unternehmensberatung Kienbaum die Situation für pflegende Angehörige in kleinen, mittleren und großen Unternehmen (KMU) mit speziellem Fokus auf Veränderungen während der Corona-Pandemie untersucht. Dabei sollten u.a. verlässliche Aussagen und belastbare repräsentative Erkenntnisse zur Bekanntheit, dem Nutzungsverhalten und der Akzeptanz der angebotenen Möglichkeiten vor und während der Corona-Pandemie herausgearbeitet und geprüft werden, inwieweit die gewonnenen Erkenntnisse auch dauerhaft die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf verbessern können.

Auf der Grundlage einer Auswertung des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) für das Jahr 2017 geht man von etwa 4,8 Millionen Pflegenden aus, hiervon sind etwa 2,5 Millionen erwerbstätig. Zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf stehen Beschäftigten die gesetzlich verankerten Möglichkeiten offen. Dies sind z.B. die Pflegezeit und Familienpflegezeit oder die bis zu zehn Tage dauernde Auszeit in einem akuten Pflegefall. Im Hinblick auf die besonderen Herausforderungen für erwerbstätige pflegende Angehörige in der Corona-Pandemie sind seit 23.05.2020 spezielle Regelungen als Akuthilfe für pflegende Angehörige im Familienpflegezeitgesetz, Pflegezeitgesetz und Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) in Kraft getreten.

Zentrale Ergebnisse aus der Unternehmensbefragung

Gesetzliche Angebote wurden in einem Drittel der befragten Unternehmen in Anspruch genommen, in weitaus höherem Maß in großen Unternehmen. Bei den zusätzlichen betrieblichen Unterstützungsangeboten, die von rund 44 Prozent der befragten Unternehmen bereitgestellt werden, dominieren Möglichkeiten der zeitlichen (94 Prozent) sowie örtlichen (69 Prozent) Flexibilisierung der Arbeitszeit sowie andere Formen der Reduktion von Arbeitszeit (z.B. Teilzeit) mit 94 Prozent, gefolgt von Möglichkeiten der Freistellung (z.B. Sabbaticals) in 50 Prozent der Fälle.

47 Prozent der Unternehmen mit zusätzlichen Angeboten gaben an, z.B. bezahlte Auszeiten oder Angebote im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements darzustellen. Sofern vorhanden, wurde die gesamte Bandbreite an zusätzlichen Angeboten in den Unternehmen zu einem sehr hohen Prozentsatz auch in Anspruch genommen, zuvorderst wieder Möglichkeiten der zeitlichen (90 Prozent) und örtlichen (88 Prozent) Flexibilisierung der Arbeitszeit – gefolgt von anderen Formen der Reduktion der Arbeitszeit (z.B. Teilzeit) in 88 Prozent der Fälle.

Bei mehr als einem Drittel der befragten Unternehmen, lag der Anteil der Frauen, die vor der Pandemie entsprechende Angebote in Anspruch genommen haben, zwischen 81 bis 100 Prozent. Mit Bezug auf das Alter lässt sich ableiten, dass die Angebote von der mittleren Altersgruppe der 35- bis 55-Jährigen mit einem durchschnittlichen Anteil von 54 Prozent am häufigsten genutzt wurden. Hinsichtlich der Informationsversorgung ist eher eine reaktive Haltung festzustellen, d.h. die Unternehmen informieren ihre Beschäftigten zu bestehenden Angeboten für pflegende Angehörige zumeist (erst) auf Anfrage (69 Prozent).

Veränderungen in der Corona-Zeit

Von den coronaspezifischen gesetzlichen Sonderregelungen für pflegende Angehörige ist vor allem die Möglichkeit, (Familien)-Pflegezeiten flexibel zu nutzen, bekannt (36 Prozent schätzen diese als hoch oder eher hoch ein). Die geringste Bekanntheit wird der Möglichkeit, pandemiebedingte Einkommensausfälle bei der Ermittlung der Darlehenshöhe für die Pflegezeit und Familienpflegezeit unberücksichtigt zu lassen, zugeschrieben.

Von den im Mai 2020 in Kraft getretenen gesetzlichen Regelungen der Akuthilfe für erwerbstätig pflegende Angehörige haben 43 Prozent gehört. Der Mehrheit der Befragten waren diese jedoch unbekannt (57 Prozent). Dies deutet stark darauf hin, dass diese gesetzlichen Angebote zumindest auf Unternehmensebene noch nicht ausreichend bekannt sind.

Reaktionen von Unternehmen in der Corona-Zeit

Die coronabedingten Angebotsanpassungen haben in erster Linie zu zeitlichen Flexibilisierungen der Arbeitszeit – inklusive deren Reduktion – sowie einer örtlichen Flexibilisierung geführt. Die Annahme, dass arbeitgeberspezifische Pandemie-Maßnahmen wie z.B. Home-Office und Kurzarbeit, Vereinbarkeit von Pflege und Beruf erleichtern, hat sich in einer ergänzenden Befragung von Arbeitgebern bestätigt: flexiblere Arbeitszeitgestaltung sowie die Möglichkeit zum mobilen Arbeiten bzw. Home-Office haben zu einer Entlastung von pflegenden Beschäftigten beigetragen.

Die Unternehmensbefragung hat darüber hinaus gezeigt, dass coronaspezifische Angebote in den Unternehmen mehrheitlich nicht in Anspruch genommen wurden. Sofern dies doch erfolgte, waren dies in 26 Prozent der Fälle mehrheitlich die Unterstützungsmaßnahmen des Unternehmens. In 12 Prozent der Fälle wurde sich der Akuthilfen des Gesetzgebers bedient und dabei überwiegend der Möglichkeit, Familienpflegezeit und Pflegezeiten mit Zustimmung des Arbeitgebers flexibler zu nutzen.

Bezogen auf etwaige Angebotslücken sieht eine große Mehrheit die bestehenden Angebote und Maßnahmen im Bereich der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf als ausreichend an (78 Prozent) – und mit etwas geringeren Prozentwerten gilt dies auch in Bezug auf die Akuthilfen (72 Prozent) sowie die bisherigen gesetzlichen Regelungen vor Corona (69 Prozent). Auch hinsichtlich der Existenz potentieller unternehmensbezogener Angebotslücken gibt die überwiegende Mehrheit der Befragten (81 Prozent) an, dass keine vorliegen.

Mit Blick auf das Alter und eine geschlechtergerechte Aufteilung von Pflegearbeit ergibt sich ein vergleichbares Bild zu vor Corona, so die Kienbaum-Studie.

Best Practice-Beispiele für eine pflege-freundliche Arbeitswelt

Arbeitgeber, welche als vorbildhaft für eine pflegefreundliche Arbeitswelt gelten, und ergänzend befragt wurden, begrüßen auch die coronaspezifischen gesetzlichen Sonderregelungen durch die Akuthilfe für pflegende Beschäftigte. Arbeitgeberspezifische Modelle wie flexible Arbeitszeitvereinbarungen oder Home-Office werden jedoch als wesentlicher Baustein wahrgenommen und gerade sie hätten dazu beigetragen, dass die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf für die Beschäftigten erleichtert wurde.

Ansatzpunkte zur Weiterentwicklung im Bereich Vereinbarkeit von Pflege und Beruf

Eine große Mehrheit sieht die bestehenden gesetzlichen wie betrieblichen Angebote als

ausreichend an. Zu etwaigen Weiterentwicklungsmöglichkeiten gab es folgende Hinweise:

  • Zeitliche Ausweitung der bestehenden gesetzlichen Akuthilfen bis weit in das Jahr 2021, um Planungssicherheit für Arbeitgeber und Beschäftigte zu gewährleisten.
  • Analog der Möglichkeit, bis zu 10 Tage im Krankheitsfall eines Kindes frei nehmen zu können, sollte es eine Regelung für erwerbstätig pflegende Angehörige geben – inklusive einer Erstattung des Nettolohnes in „unbürokratischer“ Form.
  • Möglichkeit, zur Verfügung stehende Tage bei einer kurzzeitigen Arbeitsverhinderung (aktuell: 20 Tage) flexibel – und nicht am Stück – in Anspruch zu nehmen.
  • Weniger Bürokratieaufwand für die bisherigen gesetzlichen Angebote.

Weiterentwicklung der Pflegezeit analog der Elternzeit, auch um finanzielle Sicherheit und Akzeptanz bei den Beschäftigten sowie Verfahrensvereinfachungen zu schaffen.

Ausblick und Bewertung

Grundsätzlich ist mit einer erheblichen Steigerung der Nachfrage nach Angeboten zu rechnen. In der Breite bestätigt wird, dass das Thema einen großen Stellenwert in der Unternehmenspraxis einnehme und in Zukunft zunehmen werde – v.a. aufgrund der demografischen Entwicklung, aber auch aufgrund veränderter Bedürfnisse im Zusammenhang mit der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sowie dem Wettbewerb bezüglich Arbeitgeberattraktivität.

Mit Blick auf die Branchenverteilung wurden in der Befragung von Kienbaum beinahe alle Wirtschaftszweige erreicht. Da nach dem besonders stark vertretenen verarbeitenden Gewerbe (23 Prozent) an zweiter Stelle insb. das Gesundheits- und Sozialwesen 16 Prozent der Befragten repräsentierten, besitzen die Befragungsergebnisse nicht nur deshalb ihre Relevanz auch für den Bereich der Caritas.

Ökonomische Analyse

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