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LAG Hamm: Wartezeitkündigung einer Hebamme wegen Kirchenaustritts rechtens

Ist ein Arbeitnehmer aus der katholischen Kirche ausgetreten und erfährt der kirchliche Arbeitgeber dies während der Wartezeit nach § 1 KSchG, so verstößt eine daraufhin ausgesprochene Kündigung nicht gegen §§ 1, 7 AGG.

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Wartezeitkündigung. Die dem Deutschen Caritasverband angeschlossene beklagte Arbeitgeberin betreibt ein Krankenhaus, indem die Klägerin zunächst bis Mitte 2014 als angestellte Hebamme arbeitete. Im September 2014 trat die Klägerin aus der Katholischen Kirche aus.

Anfang 2019 führten die Parteien ein Gespräch zur Neueinstellung der Klägerin, in dem die Zugehörigkeit der Klägerin zur Katholischen Kirche nicht thematisiert wurde. Der Klägerin wurden anschließend der Dienstvertrag sowie ein Personalbogen übersandt, der auch Angaben zur Frage des Kirchenaustritts vorsah. Die Klägerin überreichte der Beklagten Anfang April 2019 den unterzeichneten Dienstvertrag sowie den ausgefüllten Personalbogen, in dem der Kirchenaustritt angegeben war. In der Folge trat sie ihren Dienst an. Nach Feststellung des Austritts und Ausbleiben des Wiedereintritts kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis.

Die Klägerin argumentierte, dass die Kündigung sie wegen ihrer fehlenden Zugehörigkeit zur Katholischen Kirche unrechtmäßig benachteilige. Zudem stelle nur der Austritt von Mitarbeitenden einen Verstoß gegen Loyalitätsobliegenheiten dar; sie sei jedoch vor Abschluss des Arbeitsvertrags ausgetreten. Außerdem beschäftige die Beklagte auch konfessionslose Hebammen. Die Beklagte entgegnete, dass die Klägerin auf Grund ihrer bewussten Abkehr von der Katholischen Kirche für die Tätigkeit einer Hebamme in ihrem Krankenhaus nicht geeignet sei. Hätte sie vom Kirchenaustritt der Klägerin gewusst, wäre diese nicht eingestellt worden.

Entscheidung

Das LAG Hamm hat die Kündigung als wirksam bestätigt. Die Kündigung benachteilige die Klägerin zwar unmittelbar wegen der Religion, sie sei jedoch gerechtfertigt (§ 9 Abs. 1 Var. 2 AGG). Unter Beachtung des Selbstverständnisses der Kirche stelle es eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung dar, die Ausübung der Tätigkeit einer Hebamme davon abhängig zu machen, dass ein Austritt aus der katholischen Kirche nicht erfolgt ist. Die Verkündigung des Evangeliums im Sinne der verfassten Kirche könnte von solchen Mitarbeitern nicht erwartet werden.

Dass die Beklagte auch konfessionslose Hebammen beschäftige, ändere an dieser Bewertung nichts. Eine Gleichsetzung dieser Fälle gehe fehl: Während konfessionslose Hebammen, die nicht Mitglied der Katholischen Kirche sind, dieser lediglich gleichgültig gegenüberstünden, lehnte die Klägerin die verfasste Kirche ab, was sich aus ihrem Austritt ergebe.

Die Kündigung sei nicht treuwidrig (§ 242 BGB). Die Beklagte habe ihr Recht zur Wartezeitkündigung nicht dadurch verwirkt, dass sie im Einstellungsgespräch nicht nach der Kirchenmitgliedschaft der Klägerin gefragt hat. Durch die Übersendung des Personalfragebogens mit entsprechender Fragestellung habe die Beklagte die arbeitgeberseitigen Loyalitätsobliegenheiten vor Abschluss des Dienstvertrages erfüllt (Art. 3 Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 Grundordnung des kirchlichen Dienstes).

Einordnung

Nach der Grundordnung des kirchlichen Dienstes (GrO) ist eine Person, die aus der Katholischen Kirche ausgetreten ist, für keinen Dienst in der Kirche geeignet (Art. 3 Abs. 4 GrO). In der Folge wird der Austritt des Mitarbeitenden aus der Katholischen Kirche als schwerwiegender Verstoß gegen die Loyalitätsobliegenheiten gewertet (Art. 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a) GrO).

Staatliche Gerichte sind vor dem Hintergrund des grundgesetzlich verbürgten kirchlichen Selbstbestimmungsrechts bis zu einem gewissen Grad an die kirchliche Einschätzung arbeitsvertraglicher Loyalitätspflichten wie der vorliegenden gebunden. Der vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) hierzu im Fall Egenberger postulierte (weite) Prüfmaßstab für staatliche Gerichte wird vom LAG Hamm in der vorliegenden Entscheidung mustergültig angewendet. Das Gericht stellt dabei fest, dass ein Dienstgeber Abschied davon nehmen müsste, den Sendungsauftrag der Kirche durch karitatives Wirken im Bereich der Krankenbehandlung und -pflege zu verwirklichen, wenn er verpflichtet wäre, Mitarbeitende zu beschäftigen, die sich von der Katholischen Kirche lossagen. Am Ende steht die überzeugende Wertung des Nichtvorliegens eines Austritts aus der Katholischen Kirche als gerechtfertigte berufliche Anforderung. Gegen das Urteil ist Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) eingelegt (Az. 2 AZR 130/21). Der höchstrichterlichen Entscheidung ist mit Spannung entgegenzusehen.

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