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BSG: Unfallschutz im Homeoffice vor Arbeitsbeginn bei unternehmens­dienlichem Weg gegeben

Wer auf dem Weg vom Bett an seinen Homeoffice-Platz verunfallt, hat Anspruch auf Unfallversicherungsschutz, wenn der zurückgelegte Weg „unternehmensdienlich“ ist.

Sachverhalt

Der Kläger ist angestellter Gebietsverkaufsleiter im Außendienst. Üblicherweise begann er seine Arbeit morgens zwischen 7:00 Uhr und 7:30 Uhr ohne Frühstück. Auf dem Weg vom Schlafzimmer zum häuslichen Arbeitszimmer ein Stockwerk tiefer war er im Jahr 2018 auf der Wendeltreppe ausgerutscht und gestürzt. Dabei hatte er sich einen Brustwirbel gebrochen. Die Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik erkannte dies nicht als versicherten Wegeunfall an.

Während die Erstinstanz den erstmaligen morgendlichen Weg vom Bett ins Homeoffice als versicherten Betriebsweg ansah (Sozialgericht (SG) Aachen, Urteil vom 14.06.2019, Az. S 6 U 5/19), beurteilte die Zweitinstanz ihn als unversicherte Vorbereitungshandlung, die der eigentlichen Tätigkeit nur vorausgeht (Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 09.11.2020, Az. L 17 U 487/19). Es führte aus, dass sowohl bei Wegen nach und von dem Ort der Tätigkeit als auch bei einem direkt von der Wohnung aus angetretenem Betriebsweg (Dienstweg oder Dienstreise) die versicherte Tätigkeit erst mit dem Durchschreiten der Haustür des Gebäudes (Mehr- oder Einfamilienhaus) beginne, in dem sich die Wohnung des Versicherten befindet.

Diese vom BSG stets beibehaltene Grenze zwischen dem unversicherten häuslichen Lebensbereich und dem versicherten Zurücklegen eines Weges sei im Interesse der Rechtssicherheit bewusst starr gezogen, weil sie an objektive Merkmale anknüpft, die im Allgemeinen leicht feststellbar sind. Damit könne nach der Rechtsprechung des BSG ein im Homeoffice Beschäftigter niemals innerhalb des Hauses bzw. innerhalb der Wohnung auf dem Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit wegeunfallversichert gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII sein.

Entscheidung

Das BSG sprach dem Kläger nun Leistungen der Unfallversicherung zu. Dies können neben den Behandlungskosten je nach Unfallfolgen auch Rentenzahlungen sein. Zur Begründung erklärte das BSG, der Weg auf der Treppe habe in einem engen Zusammenhang mit der Arbeit gestanden. Der Verkaufsleiter habe seine Arbeit aufnehmen wollen.

Das BSG betont, dass dies unabhängig von einer Gesetzesänderung zum 18.06.2021 gilt und auch vorher galt. Ob ein Weg als Betriebsweg im unmittelbaren Unternehmensinteresse zurückgelegt wird und deswegen im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, bestimmt sich auch im Homeoffice nach der objektivierten Handlungstendenz des Versicherten; also danach, ob dieser bei der zum Unfallereignis führenden Verrichtung eine dem Unternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte und diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird.

Nach der Neuregelung besteht Unfallschutz im Homeoffice "in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte".

Die Gesetzesänderung sichert die Rechtsprechung des BSG ab, wonach auch betriebliche Wege innerhalb der Wohnung versichert sind, künftig zudem wohl auch Wege bis zur Küchentür, um zu essen oder zu trinken.

Es habe zwar kein versicherter Wegeunfall vorgelegen. Versicherungsschutz gebe es dabei erst ab dem Durchschreiten der Haustür. Es habe jedoch ein versicherter Betriebsweg vorgelegen. Die objektiven Umstände des Einzelfalls zeigten, dass der Kläger beabsichtigte, seine Erwerbsarbeit zu beginnen. "Das Hinabsteigen der Treppe war unmittelbar unternehmensdienlich", befand das BSG. Der Unfall habe sich zudem zu einer Zeit ereignet, zu der der Beschäftigte regelmäßig seine Arbeit aufnimmt.

Einordnung

Der Fall hat sich zwar vor der Coronapandemie zugetragen, dürfte aber angesichts der momentan zahlreich im Homeoffice arbeitenden Beschäftigten von großem Interesse sein.

Die Entscheidung ist von Bedeutung, da das BSG seine bisherige Rechtsprechung, auf die sich die Vorinstanz noch beruft, korrigiert und der Neuregelung des Unfallversicherungsschutzes im Homeoffice aus dem Jahr 2021 anpasst.

Rechtsprechung

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