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BAG: Ärztliche Hintergrunddienste stellen vergütungsrechtlich Rufbereitschaft dar

Rufbereitschaft oder Bereitschaftsdienst hängt von der Aufenthaltsbeschränkung ab

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Vergütung von ärztlichem Hintergrunddienst als Rufbereitschaft oder Bereitschaftsdienst. Der klagende Oberarzt leistet im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses, auf das der TV-Ärzte/TdL Anwendung findet, außerhalb seiner regelmäßigen Arbeitszeit Hintergrunddienste, welche als Rufbereitschaft angeordnet wurden. Während dieser Zeit ist er verpflichtet, telefonisch erreichbar zu sein. Weitere ausdrückliche Vorgaben hinsichtlich des Aufenthaltsortes oder der Zeitspanne, innerhalb derer er die Arbeit im Klinikum aufzunehmen hat, macht die Beklagte nicht.

Im Rahmen des Hintergrunddienstes kann es sowohl zu Einsätzen des Klägers im Klinikum als auch zu rein telefonischen Inanspruchnahmen kommen, wobei letztere überwiegen. Dabei hat der Kläger auch mögliche Organtransplantationsangebote zu bearbeiten. Die Beklagte vergütet die Hintergrunddienste gemäß § 9 Abs. 1 TV-Ärzte/TdL als Rufbereitschaft. Der Kläger begehrte weitere Vergütung. Er stützte sich darauf, dass die Hintergrunddienste auf Grund der von ihm hinzunehmenden Beschränkungen als Bereitschaftsdienst nach § 9 Abs. 2 TV-Ärzte/TdL zu vergüten seien.

Entscheidung

Das BAG hat die Einordnung des Hintergrunddienstes als Rufbereitschaft bestätigt. Dass einzige tarifliche Tatbestandvoraussetzung für die Qualifizierung als Rufbereitschaft sei, dass der Arbeitnehmer seinen Aufenthaltsort im Rahmen der durch den Zweck der Rufbereitschaft vorgegebenen Grenzen frei wählen kann. Dabei stehen mittelbare Einschränkungen des Aufenthaltsortes dem Vorliegen von Rufbereitschaft nicht zwangsläufig entgegen. Die Eingrenzung der freien Wahl des Aufenthaltsortes und damit einhergehend der Möglichkeiten zur Gestaltung der Zeit der Rufbereitschaft sei gerade ein Wesensmerkmal dieses Dienstes.

Rufbereitschaft steht es auch nicht entgegen, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung telefonisch sofort bei Abruf erbringt. Mit dieser Verpflichtung gehe keine räumliche Aufenthaltsbeschränkung einher, die über die sich bereits aus dem Wesen der telefonischen Rufbereitschaft ergebenden Beschränkungen hinausginge. Auch die unter Umständen zeitnahe Fortsetzung der Arbeit im Klinikum stehe im Einklang mit der Rufbereitschaft.

Der vorgenannten Einordnung der Hintergrunddienste stehe nicht entgegen, dass im vorliegenden Fall die Beklagte die Hintergrunddienste aus tariflicher Sicht nicht als Rufbereitschaft hätte anordnen dürfen. Tariflich dürfe Rufbereitschaft nur angeordnet werden, wenn erfahrungsgemäß lediglich in Ausnahmefällen Arbeit anfällt (§ 7 Abs. 6 Satz 2 TV-Ärzte/Tdl). Dies sei vorliegend nicht der Fall gewesen. Der Kläger habe dennoch keinen Anspruch auf Vergütung der Hintergrunddienste als Bereitschaftsdienst, da die Anordnungsbefugnis nach dem Willen der Tarifvertragsparteien kein Tatbestandsmerkmal für die vergütungsrechtliche Einordnung eines Dienstes als Rufbereitschaft oder Bereitschaftsdienst sei. Die tarifwidrig angeordnete Rufbereitschaft wandele sich daher nicht automatisch in Bereitschaftsdienst um.

Die Tarifvertragsparteien hätten sich bewusst dazu entschieden, für den Fall einer tarifwidrigen Anordnung von Rufbereitschaft keine Vergütungsregelung zu treffen. Den Arbeitsgerichten sei die Schließung einer solchen Lücke vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie versagt.

Einordnung

Das Urteil ist zu begrüßen, da es bezogen auf die einschlägigen Normen im TV-Ärzte/TdL ein klares, praxistaugliches Kriterium zur Abgrenzung von Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst benennt – am Beispiel des ärztlichen Hintergrunddienstes. Diese sind in Krankenhäusern gängige Praxis.

Anhand der vom BAG benannten Maßgaben kann passgenau überprüft werden, ob die durch den Dienstgeber angeordneten Beschränkungen für Dienste ein Ausmaß erreichen, das einer Aufenthaltsbeschränkung gleichkommt, was zur Folge hat, dass solche Dienste als Bereitschaftsdienst zu qualifizieren sind. Die ärztlichen Hintergrunddienste sind vor diesem Hintergrund als Rufbereitschaft einzuordnen. Der Umstand, dass es finanziell bei der Vergütung für Rufbereitschaft bleibt, auch wenn diese tarifwidrig angeordnet ist, reduziert für Dienstgeber das finanzielle Risiko.

Auf die einschlägigen Regelungen in den AVR ist das Urteil 1:1 übertragbar, da diese mit den entsprechenden Regelungen im TV-Ärzte/TdL identisch sind (§ 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 8 Satz 1 Anlage 30 AVR).

Rechtsprechung

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